Das lange Kabel (3) – Länge
Aus den bisherigen Messungen sollte ich eigentlich ausrechnen können, wie lang das Kabel eigentlich ist.
Wenn ich mir den Schaltplan der Versuchsanordnung in Das lange Kabel (1) noch mal ansehe
Dann wird mir klar, warum die Messung so aussieht, wie sie aussieht und wie ich aus dem Signal die Leitungslänge berechnen kann: Der Impuls des Signalgenerators (vergleiche auch das Originalsignal) erreicht die Stelle wo Signalgenerator, Tastkopf und „Das lange Kabel” miteinander verbunden sind. Durch die Anwesenheit des langen Kabels ist der Signalpegel jetzt geringer als ohne das lange Kabel, denn ein Teil des Signals läuft in das lange Kabel und nur ein verringerter Anteil läuft in den Tastkopf des Oszilloskopes und wird gemessen.
Nach einer bestimmten Zeit wird das Signal am Leitungsende reflektiert und kommt zurück zu der Verbindungsstelle. Wenn das schnell genug geht, überlagert es sich dabei mit dem Signal des Signalgenerators und es kommt zur Messung eines starken Signalanstieges, der sogar den Pegel des Originalsignales übersteigen kann.
Aus der Dauer des reduzierten Pegels müsste ich also ausrechnen können, wie lang das Kabel eigentlich ist.
Die Dauer des verzögerten Signalanstieges beträgt
[latexpage]
\begin{align}
\Delta t = 322\ \text{ns}
\end{align}
Das Signal wandert in dem Kabel mit einer Geschwindigkeit etwa in Höhe der Vakuumlichtgeschwindigkeit $c$
\begin{align}
\text{v} = \text{vf} \cdot \text{c}
\end{align}
Der Velocity-Faktor $\text{vf}$ kommt daher, dass die Welle (das Feld) sich eben nicht im Vakuum ausbreitet, sondern auf zwei Leitern mit Dielektrikum dazwischen. Der Velocity-Faktor hängt also von der Permeabilität und der Permittivität ab, oder anders ausgedrückt, von der Einheitsinduktivität und der Einheitskapazität. Ich habe im Internet Werte für den Velocity-Faktor von 0.4 bis 0.8 gefunden. Für viele Kabel mit kompakten Dielektrika wird wohl gerne ein Wert von 0.66 angenommen. Mit dem rechne ich weiter.
Es ergibt sich also schließlich für die Länge $l$ des Kabels:
\begin{align}
\text{l} =\frac{1}{2} \text{vf} \cdot \text{c} \cdot \Delta \text{t} =\frac{1}{2} 0.66 \cdot 299792458\ \text{m/s} \cdot 322\ \text{ns} = 32\ \text{m}
\end{align}
Das Kabel müsste also nach Auswertung der Signalverformung so etwa um die 32 m lang sein, mit etwa Spielraum, weil der Velocity-Faktor von 0.66 ja nur geraten ist und nicht unbedingt für das vorliegende TQ-Kabel gelten muss.
Zum Folgenden Abschnitt bitte den Kommentar von Martin Schönegg beachten!
Ich habe also auch mit einem Lineal nachgemessen, und erhalte: 33.80 m, nicht schlecht, finde ich! Wie gut das genau ist, muss ich noch überprüfen, denn die Länge, die ich über die Wellenreflexion gemessen habe, ist natürlich die Länge der Adern, nicht die des Kabels. Die Adern sind aber gewunden (twistet) also muss die elektrisch bestimmte Länge schon mal länger sein, als die mechanisch bestimmte Länge.
À propos peer review:
Das Ersatzschaltbild ist so nicht korrekt.
Wenn schon, dann muss man das so stricken, dass abwechselnd eine Spule in Längsrichtung und dann zur Rückleitung wieder ein Kondensator. Ich hoffe mal, dass das mit ASCII-ART hier geht:
——LLL——o—–LLL—–o——LLL—-…
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__ __
__ __
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——LLL——o—–LLL—–o——LLL—-…
Wenns eine Verlustbehaftete Leitung sein soll, dann kommen natürlich noch SerienR in die Induktivitäten und theoretisch auch noch Parallelleitwerte zu den Kapazitäten.
Soweit auf die Schnelle
Martin
Stimmt. Ich habe das Ersatzschaltbild nach deinen Angaben angepasst! Vielen Dank!
In den anderen Artikeln passe ich die Ersatzschaltbilder auch noch entsprechend an.
Hallo Kollege,
ich kann Ihre Rechnung (3) nicht nachvollziehen. Bei mir kommt da gut das Doppelte raus. Ganz grob überschlagen sind 2/3 von 300000 km/s gut 200.000 km/s und das mit 322 ns multipliziert macht nach Adam Riese um die 64 m. Da die Leitungslänge auch nicht wirklich die Drahtlänge ist (womit man den Faktor 2 erklären könnte – ist hier aber nicht 😉 bleibt hier eine Frage offen, wie der Faktor 2 zu erklären wäre.
Die Längenänderung durch die Verdrillung ist jedenfalls schon im Velocityfaktor enthalten. Die paar % reissen es hier aber sicher nicht heraus
Bis die Tage…
Martin
Hallo Martin,
meine Überlegung war und ist, dass die „Welle ja zum Leitungsende laufen muss, dort wird sie reflektiert und kommt wieder zurück, denn was ich messe ist ja die Überlagerung der Quelle mit der reflektierten Welle. Also Kabellänge = 1/2 Wellenweg.
Oder nicht?
Hallo Kollege,
Das mit der Rücklaufenden Welle wars, danke. Hab ich jetzt das 1/2 in Formel (3) übersehen gehabt, oder haben Sie das klammheimlich nachgebessert ? 😉
Mrtin
Hallo Martin,
ich finde es herrlich, dass der Gedankengang nun sozusagen einem peer review unterzogen wurde. Vielen Dank an Dich, vor allem auch für die Bestätigung.
Den Faktor 1 / 2 hast Du selbstverständlich nicht übersehen! Der ist eine direkte Folge deines Kommentars, den habe ich klammheimlich nachgebessert, denn rechnerisch war die Formel ja einfach falsch. Ich ärgere mich jetzt ein klein wenig, dass ich das nicht dazugeschrieben habe, aber spätestens mit diesem Kommentar ist ja der Sorgfalt nun genüge getan. Danke!