Klarer Tomatensaft

Klarer Tomatensaft

ISO_7010_M011.svgWie immer beim Umgang mit Lebensmitteln: Händewaschen nicht vergessen! In vier Stunden bei 40 °C wachsen z.B. Salmonellen so schnell wie in 6 Tagen im Kühlschrank. Deine Hände sind voller gefährlicher oder zumindest sehr unappetitlicher Erreger, wenn du sie nicht richtig wäscht.

Ich verwende als Beispiel Tomatensaft. Das Rezept funktioniert aber auch für alle anderen trüben Flüssigkeiten, die wie Tomatensaft, einen hohen Wasseranteil haben: Apfelsaft, Karottensaft, Orangensaft. Bei wasserarmen Pürees ist die Ausbeute zu gering.

Grundlagen (Rezept im nächsten Kapitel)

Synärese bezeichnet das Kollabieren eines Gels unter Abscheiden eines Teils der  wässrigen Phase. Diesen Effekt kann man prima zur Klärung trüber Flüssigkeiten einsetzen, da die meisten Trübstoffe in der Gelphase hängen bleiben, während der wässrige Anteil relativ frei von Trübstoffen bleibt. In der Regel geht durch das Klären natürlich auch die charakteristische Färbung verloren. Tomatensaft und Orangensaft zum Beispiel sehen nach dem Klären fast identisch aus, etwas wie Apfelsaft.

[attention]„Klar“ ist das Gegenteil von „trüb“. Das Gegenteil von „farbig“ ist „farblos“. Durch das Klären wird die Flüssigkeit klar, aber nicht zwingend farblos. Umgekehrt würde die Flüssigkeit durch Entfärben farblos werden, aber nicht zwingend klar.[/attention]

Den Mechanismus kannst du dir so vorstellen: Bei einer hohen Temperatur, sagen wir über 40 °C liegt das Agar Agar quasi gelöst im Wasser vor, die beiden Stoffe sind mischbar, es gibt keinen Grund für eine Trennung.

Unterhalb dieser Temperatur (z.B. 40 °C) würde sich ein Gel mit einem viel geringeren Wassergehalt, vielleicht 30%, bilden. Wenn die Flüssigkeit abkühlt müssten also zwei Sachen gleichzeitig passieren: Das Agar müsste sich irgendwie im Topf von einem Großteil des Wassers trennen (vergleichbar mit dem Absetzen des Öls in frisch gerührter Vinaigrette), gleichzeitig würde es von flüssigem Agar in gelartiges Agar umgewandelt (vergleichbar mit dem Gefrieren von Wasser).

Jetzt ist es aber so, dass das Agar sehr viel schneller erstarrt, als es sich vom Wasser absetzen kann. Es bleibt sozusagen auf zu viel Wasser sitzen, weil es zu schnell fest wird. Dieses Wasser kann es nur an den Rändern ausschwitzen, deswegen geht das sehr langsam.

Wir beschleunigen das Ausschwitzen des Zuviel an Wasser, in dem wir mehr Ränder mit dem Schneebesen erzeugen. Die meisten Trübungen sind so groß, dass sie schon rein mechanisch gar nicht aus dem Agar entkommen können. Das gilt natürlich nicht für die mit dem Schneebesen erzeugten Grenzflächen, weswegen wir uns durch das Wirken mit dem Schneebesen ein paar Trübungen einfangen.

Vor- und Nachteile

Nachteil

  • Der wesentliche Nachteil der Klärung durch Synärese ist die geringe Ausbeute. Die Ausbeute aller anderen Verfahren ist deutlich höher. Wobei die Ausbeute der Synärese mit Agar-Gel, die ich mir hier anschaue, immer noch die vierfache Ausbeute der klassischen Synärese mit gefrorener Gelatine hat.
  • Auch der kalte Saftanteil erreicht in der Spitze 45 °C, kann also nicht mehr als Rohkost gelten. Der Geschmack der geklärten Säften ähnelt aber sehr stark dem Geschmack roher Säfte und keinesfalls dem gekochter Säfte.

Vorteile

  • Sehr universell. Für alle wässrigen Flüssigkeiten geeignet.
  • Keine Probleme mit verstopften Filtern.
  • Im Vergleich zu Druckfiltration oder gar Zentrifugation ist die Synärese extrem billig.
  • Es sind keine Spezialgeräte erforderlich.
  • Anders als beim Einsatz von Punch-Down Enzymen, bleibt das Produkt frei von Zusätzen. Das Agar bleibt vollständig im Durchschlag hängen.
  • Die geklärte Flüssigkeit ist gleichzeitig aufkonzentriert.
  • Agar geliert extrem schnell und zuverlässig.

Das Video

Das Rezept

Das Rezept funktioniert auch für alle anderen trüben Flüssigkeiten, die wie Tomatensaft, einen hohen Wasseranteil haben: Apfelsaft, Karottensaft, Orangensaft, Erdbeersaft. Bei Erbsen- oder Kartoffelpüree ist die Ausbeute zu gering. Im Video verwende ich abgepackten Tomatensaft, damit das Rezept reproduzierbar ist. Natürlich kannst Du auch einfach eine Ladung Tomaten oder sonstwas in den Mixer werfen.

Ausschlaggebend für den Erfolg des Rezeptes ist das exakte Einhalten der Temperaturangaben. Natürlich kann das Rezept nach belieben skaliert werden. Zu viel Agar verringert die Ausbeute, zu wenig Agar verschlechtert die Klärwirkung.

Benötigt werden:

  1. 750 ml Flüssigkeit (z.B. Tomatensaft)
  2. 1.5 g Agar (z.B. im Reformhaus zu bekommen. Achtung geeignet ist nur echtes Agar, Mixturen wie RUF Agartine sind ungeeignet)
  3. Durchschlag
  4. Küchenmull (auch unbenutzte Baumwoll-Babywindeln sind gut geeignet)
  5. Waage

Und so geht’s:

  1. Zu 250 ml Flüssigkeit (z.B. Tomatensaft) das gesamte Agar geben und vorsichtig aber gründlich umrühren.
  2. Mindestens 5 Minuten quellen lassen (Uhr!)
  3. Die 250 ml Flüssigkeit mit dem gequollenen Agar auf über 95 Grad erhitzen, die Flüssigkeit darf kochen, aber nicht reduzieren. Agar ist völlig unempfindlich gegen zu hohe Temperaturen. Werden die 95 Grad nicht erreicht, sinken Ausbeute und Qualität der geklärten Flüssigkeit.
  4. In die kochend heiße Agar-Lösung (nicht abkühlen lassen, aber ruhig von der Platte nehmen) werden nun die restlichen 500 ml der Flüssigkeit (z.B. des Tomatensaftes) unter heftigem Rühren in einem durchgehenden dünnen Strahl zügig eingegossen.
    Die Flüssigkeit darf dabei ruhig schäumen, wichtig ist aber, dass es keine Bereiche unter 40°C gibt, also schön ordentlich rühren!
  5. Die Lösung muss jetzt nur noch abkühlen und zwar auf unter 30°C, am besten einfach in den Kühlschrank stellen und ordentlich durchkühlen lassen. Zu kalt geht nicht. (Naja, nicht unter 0 °C).
  6. Jetzt wird das Gel zerschlagen. Einfach mit einem Schneebesen ein paar mal durch das Gel fuchteln. Die Stückchen dürfen dabei nicht zu klein werden, also das Gel nicht zu Brei schlagen. Ein Topfbesen eignet sich gut. Etwa Rosinengröße ist o.k.
  7. Den Küchenmull vierfach nehmen und damit den Durchschlag auslegen.
  8. Das zerschlagene Gel in den Küchenmull im Durchschlag geben und in einen Topf tropfen lassen.
  9. Warten.
    Das Gel kollabiert nun und an den Flächen der Gelbrocken bildet sich geklärte Flüssigkeit, die dann durch den Durchschlag in den Topf läuft.
    Je länger Du warten kannst, um so höher ist die Ausbeute. Wobei nach 12 h nicht mehr viel passiert.
    Am besten zum Abtropfen einfach in den Kühlschrank stellen.
  10. Das Resultat ist ein einwandfrei klarer und leicht aufkonzentrierter Saft.
    Der Geschmack ist durch die fehlenden Trübstoffe und die etwas höhere Konzentration etwas anders, als der des unverarbeiteten Produktes und das Produkt ist ganz leicht dickflüssiger, aber das ist ja durchaus auch Ziel der Maßnahme.
    Das Produkt enthält keine Spuren des Agar, insbesondere kommt die etwas dickflüssigere Konsistenz nicht durch Agar, sondern einfach durch die etwas höhere Konzentration.

Was kann man damit machen?

Aus Fruchtsäften zum Beispiel transparente Kaltschalen, Frucht- oder Gemüse Consommé. Feine Saucen für Eis oder Pudding und natürlich kann man die geklärten Säfte auch prima als Grundlage für molekulare Rezepte verwenden. Ungewöhnliches Espumas oder Sphärisierungen zum Beispiel.

Aus dem klaren Tomatensaft lässt sich nur durch Abschmecken mit Salz und Zucker und Zugabe von liebevoll hergestellten kleinen Zwiebel- und Knoblauchwürfelchen eine prima Tomatensuppe herstellen. Einlage wie sonst auch.


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