by Admin | 4. Juni 2015 22:27
Am Freitag, 29.5.2015, erschien auf Spiegel online ein Artikel mit dem Titel: „Religionsstreit an bayerischer Schule: „Atheisten sind dumm“”. Der Spiegel berichtet dabei über eine Transaktion, die argumentationstechnisch sehr interessant ist.
Der Artikel bei Spiegel Online[1]
Der Rektor der Schule, von dem dieses eigentlich nicht mehr grenzwertige, Zitat stammt, wird in einer Diskussion von Schülern gefragt:
„Was würden Sie sagen, wenn jemand sagt, Christen oder Katholiken sind dumm?“
und antwortet darauf hin:
„Dann würde ich sagen: Stimmt. Christen sind oft die Dummen. Zum Beispiel die Christen in Syrien.“
Eine Technik, die alles andere als selten und, wenn man sich auskennt, einfach nur ärgerlich ist.
Der Dreh- und Angelpunkt dieser Sequenz ist das Wort „dumm”. Die Schüler variieren die Aussage des Direktors, dass Atheisten dumm seien und fordern so argumentativ eine Elaboration der Begrifflichkeiten „Christ” und „Atheist”. Da schon die ursprüngliche Behauptung des Direktors objektiv betrachtet wohl am ehesten als unüberlegte Provokation einzustufen ist, wäre ein gerütteltes Maß an Klugheit notwendig um diese Elaboration sauber zu überleben, oder es steht der Gang nach Canossa an.
Spätestens jetzt hast Du es schon bemerkt: Das Wort „dumm” im Satz des Schulleiters und das Wort „dumm” im Satz der Schüler sind schlicht und ergreifend nicht identisch. Genau wie Bank ein Geldhaus oder ein Sitzmöbel bezeichnen kann, bezeichnet dumm entweder einen beschränkten Geisteszustand oder ein unglückliches Ereignis. „Das ist ja wirklich eine dumme Situation” bedeutet natürlich nicht, dass die Situation nicht besonders klug ist, sondern, dass sie ungünstig oder unerfreulich ist. In diesem Sinne kann natürlich auch der Klügste der Dumme sein, wenn das Schicksal mal wieder Kapriolen schlägt.
Der Satz des Schulleiters erweckt also den Eindruck, als ob er sich auf den Satz der Schüler bezieht und diesen sogar bestätigt, tut er aber nicht. Der thematische Faden wird gekappt und die Schüler durch ein dümmliches Wortspiel verarscht.
Schopenhauer stellt dazu fest:
Die angeborne Eitelkeit, die besonders hinsichtlich der Verstandeskräfte reizbar ist, will nicht haben, daß was wir zuerst aufgestellt, sich als falsch und das des Gegners als Recht ergebe
Meines Erachtens ist dieser Kunstgriff 2, die Homonymie, der häufigste Kunstgriff der rhetorischen Rechthaberei um jeden Preis. Achte mal darauf! Sehr häufig! Und weil wir mitten im Disput gestresst sind und nicht voll wachsam gehen gerade Homonymien schnell durch, ganz besonders, wenn sie noch etwas feinsinniger sind, als das hier vorliegende etwas vulgäre und grobe Beispiel.
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